Bootstrapping oder wie gründe ich ein Startup

6 Min. Lesezeit
Daniel Schwarz
12. September 2017
Zuletzt aktualisiert: 18. Februar 2021
Bootstrapping oder wie gründe ich ein Startup

Serhat Kaya ist Gründer & Geschäftsführer der digitalen Kommunikationsagentur XPERIENTS, Macher vom Ideen Accelerator Start & Found, Chapter Director für Startup Grind in Hamburg und Internationaler Moderator für Techstars Startup Programme. Er beschäftigt sich seit 2010 mit Startups und ihren Erfolgschancen. Wir haben Serhat zu einigen Themen für Gründer befragt.

Hier ist das Interview mit Serhat:

1. Fehler gehören zum Startup-Alltag dazu, welche Fehler werden am meisten gemacht?

Fehler sind ein Mittel, um besser zu werden und zu lernen. Daher ist das schwer zusammenzufassen.

Häufig scheitern Startups am Team und weniger am Produkt oder an Investoren. Das Team funktioniert nach einer Weile nicht. Daher ist die Wahl des Co-Founders eine Entscheidung die Gründer durchdacht treffen sollten.

Ein anderer Fehler, den ich häufig beobachte, ist der, dass einige Gründer ihre Hausaufgaben nicht machen und so sehr in ihre Idee vernarrt sind, dass sie keine Validierung ihrer Idee durch echte Kundengespräche durchführen. Rausgehen in die reale Welt oder zum Hörer greifen und Menschen anrufen, da tun sich einige sehr schwer. Hier ist es entscheidend als Gründer früh seine Komfort-Zone zu verlassen und für echte Probleme echte Lösungen zu entwickeln.

2. Wie sieht der optimale Start eines Gründers aus? Sollte man möglichst früh nach Investoren suchen?

Ich bin ein Freund vom Bootstrapping. Glaubst Du an eine Idee, dann kannst du sie auch mit eigenen Mitteln zum Leben erwecken. Das dauert ein bisschen länger, aber wenn Du zu einem späteren Zeitpunkt auf Kapitalsuche bist, sind die Anteile meist auch mehr wert und die Investoren verlangen 35 statt 60 Prozent Deiner Firmenanteile (abhängig vom Unternehmenswert und der verlangten Summe).

Irgendwann brauchst Du aber Kapital, keine Frage. Zu dem Zeitpunkt würde ich im nächsten Schritt Friends & Family empfehlen (abhängig vom benötigten Kapital natürlich), denn wenn Du Freunde und Familie von der eigenen Idee überzeugt hast, dann bist Du einen Schritt weiter und kannst die geliehene Summe zeitnah zurückzahlen.

Eine weitere Alternative, ohne Firmenanteile abzugeben, ist der Weg zu Deiner Bank. Hier kannst Du, abhängig von der Geldsumme und den Zinsen, einen guten Deal aushandeln.

Sind die beiden oben genannten Finanzierungsmöglichkeiten keine Option, oder bereits ausgeschöpft, sind Business Angels (folgend: BA) die nächste Ebene. Hier empfiehlt sich ein BA, der auch eine gewisse Expertise als Mentor mit an Bord bringen kann. Du suchst nicht nach jemandem, der Dich jeden Tag anruft, sondern jemanden mit Erfahrung und Expertise; jemanden den Du um Rat fragen kannst. BA werden häufig auch aus diesem Grund als Smart Money bezeichnet.

Nach dem BA ist die nächste Ebene ein institutioneller Investor bzw. Venture Capital (folgend: VC) Geber. Hier kannst Du als Gründer größere Investitionssummen erhalten und, abhängig von der Unternehmensbewertung, auch zu einem fairen Anteil.

Hast Du die oben genannten Phasen durchlaufen und alles richtiggemacht, sind Deine Anteile inzwischen mehr wert. Du musst für die nächst höhere Finanzierungssumme nicht ebenso viele Anteile deiner Firma abgeben, wie zuvor. Entscheidend bei der VC Suche sollte aber auch die Expertise des VC sein, denn ein guter VC kann einem Gründer mehr als nur Kapital bieten.

Beispiele für Bootstrapping Startups aus Deutschland sind Facelift, Jimdo und Fastbill. Alle drei Startups sind ursprünglich mit Bootstrapping entstanden, haben zu einer späteren Phase einen VC an Bord geholt und sind sehr erfolgreich am Markt.

Auch Inkubatoren oder Acceleratoren können für Gründer interessant sein. Inkubatoren, wenn Du von vornherein Interesse an infrastruktureller Unterstützung hast. Acceleratoren bieten gleich zwei mögliche Gründe teilzunehmen: 1. Du willst, nachdem sich Dein Unternehmen erfolgreich etablieren konnte, durch Mentoren und einen Tapetenwechsel aufs nächste Level gelangen. 2. Du benötigst einen Zugang zum Investoren-Netzwerk des Accelerators.

Auch hier gibt es unterschiedliche Angebote am Markt, Du solltest Dir genau anschauen, wer was genau zu welchen Bedingungen anbietet.

3. Wo sollte man Ihrer Meinung nach ein Startup gründen: im eigenen Land oder im Ausland (weltweit)?

Die Standortfrage ist eine sehr umstrittene Fragestellung. Meine persönliche Meinung hierbei ist: Der Standort muss zum Startup und zum Gründer passen.

Wenn ich ein FinTech Startup gründe, dann würde es mich zur Hochburg aller Banken nach Frankfurt verschlagen. Mache ich was mit Foods oder mit eCommerce würde ich eine Stadt wie Hamburg präferieren, denn hier sitzen viele Food & eCommerce Startups und der Austausch und Partnerschaften sind leichter vorstellbar ohne hohe Reisekosten. Berlin ist besonders für B2C Startups großartig, denn hier sitzen viele Talente die hierauf spezialisiert sind.

Der Gründungsort sollte im Zweifel Fördermöglichkeiten bieten, bspw. durch Wettbewerbe, öffentliche Fördergelder, Co-Working Spaces und vieles mehr.

Es schadet dabei auch nicht über den eigenen Tellerrand hinweg zu schauen, wieder aus der Komfort Zone zu schlüpfen und zu überlegen ob eine Gründung im Ausland nicht vielleicht auch Vorteile bieten kann. Aber auch hier ist die persönliche Situation des Gründers gefragt. Nicht wenige Gründer starten während ihres Studiums und da ist es nicht so leicht mal einfach in ein anderes Land zu springen – aber auch nicht unmöglich.

Meine Empfehlung hier ist relativ einfach: Sich nicht auf Diskussionen einzulassen ob diese Stadt oder jene Stadt. Sondern einfach zu überlegen: Welches Land/Stadt bietet meinem Startup einen fruchtbaren Boden? Welches Land/Stadt bietet mir als Gründer einen guten Lebensstandard? Wo finde ich die richtigen Talente für mein Team? Wo kann ich mir tatsächlich vorstellen nicht nur zu arbeiten, sondern auch zu leben?

Bei der Beantwortung dieser Fragen findet sich die richtige Antwort zur richtigen Zeit.

4. Die Persönlichkeit der Menschen spielt für ein Startup Unternehmen eine große Rolle, wie sollte der Prozess der Einstellung der ersten Mitarbeiter sein?

Der Prozess unterscheidet sich nicht allzu stark von klassischen Einstellungsprozessen. Hier ist vielmehr entscheidend, wie Du Deine Firma für potenzielle Mitarbeiter attraktiv gestaltest und wie Du aus einer Vielzahl aus Gesprächen die besten Kandidaten auswählst.

Viele erfolgreiche Unternehmen setzen hierbei auf moderne und ausgefallene Strategien. Dabei hängt die Umsetzung meist auch von den Möglichkeiten ab; beispielsweise freuen sich viele Entwickler bereits über durchdachte Möglichkeiten der Fortbildung, da neues Wissen sie besser macht. Und was die eigenen Mitarbeiter stärkt, stärkt meistens auch das eigene Unternehmen.

Zur Auswahl der besten Kandidaten gibt es, glaube ich, nicht das perfekte Rezept. Es wird immer mal wieder zu Fällen kommen, wo Du feststellen wirst, dass die Wahl für das Unternehmen oder den neuen Mitarbeiter nicht die beste war. Aber keine Sorge, das kommt bei den Besten vor. Du solltest Dich dabei auf Dein Bauchgefühl verlassen und nach Möglichkeit Personen einstellen, die Dich und Dein Team sowohl durch ihre Persönlichkeit als auch durch ihre Fähigkeiten ergänzen. Ganz entscheidend ist hierbei außerdem: Die gewählte Person MUSS zum Unternehmen und ihrer Kultur passen & Deine Vision mit Dir gemeinsam teilen.

5. Welche Bücher oder andere Informationsressourcen zu diesem Thema würden Sie unseren Lesern empfehlen?

Ein paar Tipps wie Du deine Idee validieren kannst findest Du hier: startnfound.com/customer-validation-101/

“Der Mom Test“ von Rob Fitzpatrickist auch eine gute Ergänzung zum Thema Customer Validation, um herauszufinden ob ob Deine Idee eine gute Geschäftsidee ist.

Zum Thema Bewerbungsgespräche finde ich persönlich das Buch „Wie viele Golfbälle passen in einen Schulbus?“ von William Poundstone sehr interessant. Es zeigt Euch in einer spannenden Art und Weise wie Tech Giganten wie Google und Microsoft Ihre Bewerbungsgespräche führen.

Vielen Dank für das Interview!

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